„Vor drei Monaten war das Leben von Sabine noch normal, dann kam der Krebs, unheilbar, tödlich. Er schritt so schnell fort, dass nicht mal Zeit war, Termine für Therapien zu machen. Zuletzt lag Sabine im Hospiz, das Wohnen allein zuhause war nicht mehr möglich.
Steffi, eine Freundin von Sabine, kam auf mich zu, sie wusste, dass mein Mann und ich ehrenamtlich beim Wünschewagen aktiv sind und sie wusste, dass Sabine sich wünschte, noch einmal das Meer zu sehen, den Wind zu spüren, noch einmal raus aus dem Hospiz zu kommen.
So machten wir uns an einem Sonntag auf den Weg, um Sabine, ihre Tochter und Schwester abzuholen. Unser Fahrgast war schon sehr schwach, kurz kamen Zweifel auf, ob diese Wunschfahrt stattfinden kann, aber wir waren uns alle einig, dass wir es probieren mussten. Viel Zeit, das wussten wir damals schon, hatte Sabine nicht mehr.
Unser Ziel hieß Timmendorfer Strand an der Ostsee. Sabines Freundin hatte sich um alles gekümmert, eine Ausnahmegenehmigung zum Parken auf der Promenade organisiert, einen Tisch an der Strandbar reserviert, Freunde und Verwandte eingeladen. Alle kamen, um Sabine ein letztes Mal außerhalb des Hospizes zu sehen.
Bei strahlendem Sonnenschein wurde Sabine von allen ihren Liebsten auf der Strandpromenade in Empfang genommen. Tränen flossen, vor Freude, aber auch vor Trauer, es war für alle ein Wechselbad der Gefühle. Mein Mann und ich waren überrascht, auch wir kannten viele von Sabines Freunden, wir wohnen in derselben Stadt, sodass diese Wunschfahrt für uns, ohne dass wir es vorher wussten, zu etwas noch Besonderem wurde.
Sabine schlief während der Anreise, aber als ihre Freunde sie in Empfang nahmen, sie den Wind spürte, war sie wach. Sie nahm jeden genau wahr, es war in ihren Augen zu sehen. Es ging auf die Seebrücke, ein letztes Mal den Wind spüren, das Meer sehen.
Direkt an der Promenade gab es eine Bar namens ‚Lieblingsplatz‘. Was passte besser, als dort einzukehren, dort heute eine wenn auch nur kurze, aber dafür intensive Zeit zu verbringen? Es wurden Cocktails und Getränke bestellt, jeder nahm sich die Zeit, sich persönlich von Sabine zu verabschieden. Selten sind Freude und Trauer so dicht beieinander. Es wurde Musik abgespielt, von Udo Lindenberg und Apache 207: ‚Und wenn ich geh, dann so, wie ich gekommen bin, wie ein Komet, der zweimal einschlägt. Vielleicht tut es weh, doch will auf Nummer sicher geh'n, dass ich für immer leb, lass uns nochmal aufdreh'n.‘ Passender konnte man es heute nicht beschreiben...
Nach einiger Zeit bemerkten wir, dass Sabine müde wurde und es an der Zeit war, langsam den Heimweg anzutreten. Aber eines fehlte noch an einem letzten Strandtag: der Sand an den Füßen. Sabines Freunde trugen sie auf der Trage direkt ans Wasser, sie konnte den Sand und das erfrischende Ostseewasser ein letztes Mal spüren. Alle genossen die letzten Minuten gemeinsam am Strand, bevor wir uns dann auf den Weg nach Hause machten.
Wir fuhren mit Sabine, ihrer Tochter und Schwester zurück ins Hospiz, allerdings mit einem kleinen Umweg über eine Eisdiele. Dort war Sabine als Kind oft mit ihrer Schwester Eis essen – ein perfekter Abschluss für den Tag.
Am späten Nachmittag brachten wir Sabine zurück ins Hospiz. Erschöpft, aber wir haben es geschafft. ‚Noch einmal aufdreh’n‘ – ein letztes Mal. Die Freunde verbrachten noch einige Zeit im lieblingsplatz_bistro_cafe_, schwelgten in Erinnerungen. Und vielleicht ist das ja jetzt der Platz, um sich gemeinsam an Sabine zu erinnern, die zwei Wochen später gestorben ist…“
Ein Bericht von Catharina und Christian Bethien, Wunscherfüllerpaar aus Schleswig-Holstein.