„Gefühlt jeder Radiosender spielt heute dieses Lied. Das mag daran liegen, dass heute nicht nur der vierte Advent, sondern auch Heiligabend ist. Genau genommen auch nicht ‚Abend‘, sondern ‚Mittag‘. Ich fahre nicht nach Hause, sondern ins Hospiz. Und ich kann dieses Lied echt nicht mehr hören...
Wir, meine Kolleginnen Vera, Freda und ich, werden sehr freundlich von den Mitarbeiterinnen begrüßt und zu unserem Fahrgast gebracht. Natalie erwartet uns schon, in einem wunderschönen roten Kleid liegt sie im Bett. Wenn sie nicht die Schmerzpumpe in der Hand hätte, wäre nicht auf den ersten Blick erkennbar, dass sie so schwer erkrankt ist. ‚Driving home for Christmas‘. In diesem Fall passt es tatsächlich, Natalie möchte nach Hause, zu ihrer Familie.
Auf der Fahrt erzählt sie aus ihrem Leben. Von der Erkrankung, die am Anfang niemand richtig ernst genommen hat. Sie, die als medizinische Fachangestellte sofort verstanden hat, dass die Diagnose Hirntumor ihr Leben für immer verändern wird. Von der Hoffnung nach jeder Operation und Behandlung. Von Reisen, die sie unternommen hat, nach Mexico und Thailand. Natalie ist jung, 36 Jahre. Mit den geröteten Wangen und der Freude, mit der sie von dem Elefantenbaby erzählt, dem sie die Flasche geben durfte, wirkt sie noch jünger. Und glücklich.
Jede Wunschfahrt ist besonders und einzigartig. Vielleicht liegt es an der Weihnachtsstimmung, vielleicht an der Wärme, mit der Natalie von ihrer Familie spricht, dass wir besonders berührt sind, als sie von dem Baby ihrer Schwester spricht. ‚Es ist das erste Weihnachten für meinen Neffen. Und wahrscheinlich das letzte für mich.‘ Umso schöner, dass sie es mit den Menschen (und Hunden) verbringen kann, denen sie so viel bedeutet.
Wir möchten nicht stören und versuchen, uns so gut es geht unsichtbar zu machen. Geht nicht so gut, drei erwachsene Menschen in Wünschewagen-Jacken fallen in einem Haus mit weihnachtlich-festlich gekleideten Personen einfach auf. Die Familie ist herzlich und zugewandt, es gibt Kaffee, Kekse und immer wieder kurze Gespräche. Neben der Liebe und Sorge um Natalie wird auch immer wieder deutlich, wie sehr ihre Stärke beeindruckt.
Ihre Eltern begleiten sie bis zum Wünschewagen, letzte Umarmungen und Küsse für diesen Tag. Wir fahren mit Natalie zurück ins Hospiz und verabschieden uns, sie ist müde und erschöpft.
Als ich nach Hause fahre ist es dunkel. Im Radio läuft ‚Driving home for Christmas‘. Eigentlich ganz schön, das Lied…“
Ein Bericht von Tinka Beller, Autorin und Wunscherfüllerin aus Schleswig-Holstein.