Corona-Realität

Wunschfahrten unter Vollschutz. Aber – wir fahren!

Unsere Wünschewagen wollen in dieser schwierigen Zeit gerade Menschen, denen nicht mehr viel Zeit bleibt, nicht im Stich lassen. So auch am 10. November, als das Team aus Schleswig-Holstein einen schwerstkranken 85-Jährigen noch einmal in sein Zuhause fuhr. Wunscherfüllerin Belinda Hüsemann berichtet.

„05:30 Uhr, der Wecker klingelt! Schnell raus aus meinen gemütlichen Federn, heute geht es wieder los – einen letzten Herzenswunsch erfüllen!

Was erwartet mich heute? Wen darf ich bei seinem letzten Wunsch begleiten und wie gut ergänze ich mich mit Florian, mit dem ich diese Fahrt gemeinsam mache? Und dann ist da ja noch Corona… Das heißt, Begleitung unter Vollschutz. Geht das gut? Wie reagiert unser Fahrgast?

Was ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht weiß: Florian wird heute zum ersten Mal zum Wunscherfüller. Seine erste Fahrt mit dem Wünschewagen – und das mit gerade einmal 18 Jahren. Das fasziniert mich, Respekt! Und sofort sind da wieder die vielen tollen Erinnerungen an meine erste Fahrt.

Aber ich fange besser vorne an: Um 07:00 Uhr starte ich zu Hause mit einem Becher heißem Kaffee für die einstündige Fahrt zum Wünschewagen-Standort beim ASB in Elmshorn. Wie immer trage ich T-Shirt, Pulli und Jacke mit dem Schriftzug ‚Der Wünschewagen‘. Es ist dunkel und etwas feucht, aber es regnet nicht. Hoffentlich bleibt es so, wo doch unser Fahrgast ein letztes Mal nach Hause und vor allem in seinen geliebten Garten möchte. Sich verabschieden von seinem Lebensort und noch einmal Beagel Timmi im Garten erleben, seine in Form geschnittenen Büsche und Hecken bestaunen und den sattgrünen Rasen bewundern.

Um 08:05 Uhr parke ich mein Auto auf dem ASB-Parkplatz und schicke Florian eine WhatsApp-Nachricht. Er ist schon da und erzählt mir direkt bei der Begrüßung, wie aufgeregt und gespannt er ist – jetzt, direkt vor Antritt seiner ersten Fahrt als Wunscherfüller. Gemeinsam betreten wir die Räume des ASB, wo uns FSJlerin Johanna gleich freudig in Empfang nimmt. Alle Papiere liegen parat, Johanna gibt uns noch ein paar wichtige Infos und dann geht es los! Wir kontrollieren die Notfallausrüstung, den Sauerstoff, die Verbrauchsartikel und füllen die Papiere aus.

Florian wird an diesem Tag unseren Wünschewagen sicher durch Schleswig-Holstein fahren und ich werde hinten den Fahrgast begleiten. Aber nun geht es erstmal los Richtung Nortorf zur Pflegeeinrichtung, in der unser heutiger Fahrgast nun lebt und auf uns wartet. Und dann das! Eine Straßensperrung, die uns zwingt, einen Umweg zu nehmen, wodurch wir mit etwas Verspätung in Nortorf ankommen. Am Seiteneingang der Einrichtung parken wir unseren Wünschewagen und die Pflegedienstleitung Simone begrüßt uns herzlich. Wir holen die Liege aus dem Auto und Simone erhält eine Kurzeinweisung in die Handhabung, da Florian und ich wegen der strengen Corona-Auflagen die Einrichtung nicht betreten dürfen. Das ist schade, aber nicht zu ändern...

Wir warten vor unserem Auto und haben schon einmal warmes Licht und die Heizung im Fahrgastraum angemacht. Da steht plötzlich ein netter Notfallsanitäter der gegenüberliegenden Rettungswache vor uns. Er habe schon öfter etwas vom Wünschewagen gehört, aber noch nie einen gesehen. Gerne zeigen wir ihm das Auto und er ist begeistert, auch einen Flyer geben wir noch mit.

Nach kurzer Zeit kommt Simone mit unserem Gast – warm auf der Liege eingepackt – und dessen Sohn zum Auto. Nach einer kurzen Begrüßung ist der Fahrgast sicher im Auto und angeschnallt. Auch Simone hat Platz genommen. Der Sohn fährt mit seinem eigenen PKW zum Elternhaus, zu dem auch wir nun starten. Unser Fahrgast ist schon aufgeregt und Simone berichtet, dass er vor Aufregung in der Nacht wenig geschlafen hat. Nach nur 20 Minuten kommen wir am Haus unseres Gastes an und die ganze Familie ist da: Seine Frau, die Kinder, Schwiegerkinder und Enkel und sogar beide Hunde empfangen unseren Fahrgast voller Freude und Rührung.

Zuerst fahren wir mit der Trage in den geliebten Garten, die Familie ist ganz nah bei ihrem Angehörigen. Alle sind unendlich dankbar, dass dieser Wunsch erfüllt wurde und nun wirklich alle gemeinsam im Garten sind. Nach einer Weile fahren wir ein Stück durch den Garten und senken die Liege so ab, dass unser Gast auch seine geliebten Hunde Timmi und Boomer begrüßen und streicheln kann. Dann geht es ins Haus. Die Familie packt bei der Liege mit an, um die Treppenstufen zum Haus zu überwinden. Wir fahren ins Wohnzimmer, wo der Kachelofen schon in Betrieb ist. Wir stellen die Liege neben den Sessel der Ehefrau, sodass beide nah beieinander sein können. Sie halten sich fest an den Händen...

Um nach gemeinsamen Gesprächen der Familie etwas Zeit allein zu schenken, gehen Simone, Florian und ich in den Flur und warten dort. Wir unterhalten uns leise und sind uns einig: Das ist wirklich die Erfüllung eines Herzenswunsches! Unser Fahrgast und seine Familie empfinden tiefes Glück und sind sehr, sehr dankbar über diese innigen Momente.

Nach zwei Stunden machen wir uns auf die Rückreise nach Nortorf, unser Fahrgast ist sehr zufrieden und müde und schläft schon auf dem kurzen Rückweg im Wünschewagen ein.

Nachdem unser Fahrgast im Pflegeheim wieder in seinem Zimmer ist, bringt Simone uns die Liege zurück. Ich öffne die Beifahrertür und da entdecke ich plötzlich etwas: Da liegen zwei kleine Schachteln Pralinés und eine kleine Karte mit den Worten: ‚Herzlichen Dank.‘ Es sind oft die leisen Worte und kleinen Gesten, die jede Wunscherfüllung so kostbar machen und immer wieder zeigen, wie wichtig, wie schön und wie erfüllend dieses Ehrenamt ist.

Auf dem Rückweg nach Elmshorn haben wir Zeit für eine kleine Stärkung und ein Gespräch über diese schöne Wunscherfüllung. Gegen 14:30 Uhr sind wir zurück in Elmshorn. Florian hat seinen ersten Wunsch als Wunscherfüller erfüllt und wir sind beide sehr dankbar über diese herzliche Begegnung und die Gespräche.

Die Abende nach solchen Wunschfahrten sind bei mir immer recht ruhig und besinnlich, so ist es auch heute. Auch meine Familie spürt, wie wichtig mir diese Tage und Begegnungen sind.“