Der kleinen Schwester noch einmal ganz nah sein…

Pascal und seine Mutter Maria haben einen ganz besonderen Wunsch: Noch einmal möchten sie Emma besuchen. Emma ist die kleine Schwester von Pascal. Sie ist vor drei Jahren verstorben und wurde in Warnemünde seebestattet.

Der 17-jährige Pascal kommt regelmäßig zum Entlastungsaufenthalt ins Kinderhospiz Bärenherz, Sachsens einziges stationäres Kinderhospiz in Markkleeberg. Seit Jahren schon kennt das engagierte Hospiz-Team die Familie aus dem Vogtland mit den beiden erkrankten Kindern und ist immer da, wenn Unterstützung benötigt wird.

So auch in diesem Herbst. Pascal wird in der Einrichtung in der Nähe von Leipzig gut umsorgt und seine Familie kann ein paar Tage gemeinsam Kraft tanken. Nebenbei wird in der ASB-Rettungswache in Leipzigs Osten schon der sächsische Wünschewagen für die nächste Fahrt vorbereitet, denn bald soll auch Pascals Herzenswunsch erfüllt werden. Pascal selbst ist an GPR56 erkrankt. Doch was heißt GPR56?

Die Diagnose klingt auch für medizinisches Personal eher fremd. GPR56 ist eine Erbkrankheit, die eine Hirnfehlbildung verursacht. Weltweit gibt es nur eine zweistellige Anzahl Betroffene, die Krankheit ist wenig erforscht, die Diagnose kommt oft spät, die Lebenszeit ist begrenzt.

Maria ist die einzige Mutter mit zwei betroffenen Kindern. Ihre Tochter Emma ist vor drei Jahren verstorben, auch Sohn Pascal hat den Gendefekt geerbt. Die gemeinsame Zeit ist limitiert. Beide wollen sie jetzt bewusst nutzen und noch einmal zusammen ans Meer fahren, um bei Emma zu sein. Ein sehr erfahrenes Team sollte die beiden auf ihrer Reise begleiten und holte Pascal und Maria mit dem Wünschewagen ab. Die ehrenamtlichen Wunscherfüller Markus und Olaf waren schon mehrfach mit Fahrgästen an der Ostsee. Mit Picknickkorb, Musik, Filmen und natürlich einer Menge guter Laune im Gepäck waren sie bestens auf unseren jungen Fahrgast vorbereitet.

Nach dem obligatorischen Corona-Test im Bärenherz brauchte Pascal mit seiner Mutter in Leipzig eigentlich nur einzusteigen und loszufahren. Die erste Aufregung legte sich schnell. Besonders interessant war für unseren Fahrgast die Dash-Cam: Pascal konnte genau sehen, was der Fahrer selbst auf der Strecke sieht und so war schon die Hinfahrt sehr spannend.

Auch Maria konnte sich im ersten Gespräch mit Wunscherfüller Olaf davon überzeugen, dass sie bei diesem professionellen Team in den besten Händen waren. So rollte also der Wünschewagen aus Sachsen einmal mehr in diesem Jahr in Richtung Mecklenburg-Vorpommern. Am Nachmittag ging es nach Ankunft an der Strandpromenade Graal-Müritz natürlich sofort ans Meer. Der Wagen wurde schnell geparkt und gemeinsam wagte man sich nicht nur an den Strand, sondern sogar ein paar Schritte ins kühle Wasser. Muscheln gucken und Namen in den Sand zu schreiben wurden ebenfalls nicht vergessen. Das Wetter war windig, aber freundlich und auch die Sonne ließ sich blicken.

Beim Gang über die Mole genossen die Binnenländer die frische Brise an der See. Bei einem leckeren Eis später direkt aus der Waffel (spontan gespendet von einer Passantin – dankeschön!) im Wünschewagen war auch der frische Wind vergessen. Trotzdem waren alle dankbar, dass ausreichend Decken an Bord waren. Eine kleine Bootsfahrt mit dem netten Team von Käpt’n Brees in Warnemünde stand ebenfalls auf dem Plan. Pascal, sonst oft quirlig und lebhaft, war ganz ruhig und genoss diese Zeit auf dem Wasser, beobachtete die Wellen und die Möwen, die sich kopfüber mutig in die Fluten stürzten und unermüdlich nach Fischen schnappten. Abends wurde der Wünschewagen mit seinem Fahrgast wieder sehr freundlich vom ASB-Team im Lindenhof empfangen und alle fielen erschöpft von einem langen Tag in ihre Betten in der Graal-Müritzer Pflegeeinrichtung.

Am nächsten Morgen sollte es nach dem Frühstück zum Besuch von Pascals Schwester gehen. Etwas abseits vom Strand- und Touristentrubel an der Ostsee nutzen viele einen ruhigen Ort an der felsumrandeten Mole, um ihrer Angehörigen zu gedenken, die seebestattet wurden. Sie legen Blumen nieder, schauen den Schiffen nach. Auch Pascal und Maria konnten ihrer Emma dort für einen kostbaren Augenblick ganz nah sein. Den salzigen Wind auf der Haut fühlen, Wellen lauschen, Sonnenstrahlen durch die Wolken blitzen sehen – vielleicht spürte Emma das in diesem besonderen Moment auch irgendwo…

Die weite Heimreise ins sächsische Vogtland wurde später noch einmal anstrengend. Als Wirbelwind Pascal eingehüllt in die blaue Sternendecke im fahrenden Wagen fest einschlummerte, merkten wir, dass sich die Erschöpfung der langen Reise deutlich bemerkbar machte. Zwei außergewöhnliche Tage gingen damit zu Ende. Olaf aus Chemnitz zählt schon seit 2018 zu den sächsischen Wunscherfüllern. Auch Markus aus Leipzig hat bisher mehrere Fahrten begleitet.

Im Gespräch nach der Fahrt mit Projektkoordinatorin Katrin waren sich aber alle drei einig:  „Diese Wunschfahrt war für alle eine ganz besondere. Wir waren beeindruckt und inspiriert von der intensiven Zeit mit dieser Familie: So kraftvoll, mutig, unglaublich freundlich, liebevoll, ehrlich und herzlich seid Ihr uns begegnet, aber auch leise und verletzliche Momente haben wir gemeinsam erlebt. Wir bedanken uns bei Maria, die uns so vorbehaltlos vertraut hat und bei Pascal, der mit seiner spontanen offenen Art unsere Herzen erobert hat. Danke, dass wir Euch kennengelernt haben und Euch auf diesem besonderen Wunschweg begleiten durften.“