Wunschfahrt nach Hermagor

Es war alles dabei: Positive Überraschungen und Rückschläge, die sich dann aber in Highlights verwandelten. An einem strahlend schönen Sonntagnachmittag übernahmen wir unseren weiblichen Fahrgast von den Kollegen des Wünschewagens Nordhessen. Diese hatten die erste Hälfte der Strecke bis nach München bestritten, wir übernahmen den Rest der Reise nach Hermagor in Kärnten. Begleitet wurde Frau Sauer von ihrer Tochter Michaela und ihrem Enkel Nils, der auch auf die Idee mit dem Wünschewagen gekommen war. Die Familie (allen voran die Großeltern) hatte viele Jahre ihren Urlaub in Hermagor verbracht und dort glückliche Zeiten verlebt. So entstand dann auch der Wunsch von Frau Sauer, noch einmal ihren geliebten Urlaubsort zu besuchen und auf der Dellacher Alm einen Kaiserschmarrn zu essen. Im Dezember letzten Jahres wurde bei ihr eine ALS diagnostiziert, die leider rapide fortschreitet und neben der Motorik auch das Sprachzentrum bereits weitgehend beeinträchtigt. Die Kommunikation erfolgte deshalb entweder schriftlich oder durch geschlossene (ja/nein) Fragen, was aber sehr gut funktionierte.

Nach knapp 5 Stunden Fahrt bzw. insgesamt 11 Stunden (!) für unsere Gäste erreichten wir das Campingressort in Hermagor, wo eine barrierefreie Wohnung für die Familie reserviert war. Dass außer dem Abendessen und der Versorgung durch den eigens organisierten Pflegedienst weiter nichts mehr passierte, liegt auf der Hand.

Den Montagvormittag wollte die Familie gerne alleine verbringen, was wir selbstverständlich akzeptierten und uns, jederzeit erreichbar, zurückzogen. Da wir für die Familie sowieso ein paar Dinge besorgen sollten, entschlossen wir uns, im nahegelegenen Ort zu frühstücken. Wir gaben im Cafe unsere Bestellung auf und als wir unsere Getränke bekamen, sagte uns die Bedienung, dass eine Dame drei Tische weiter hinten unsere Rechnung übernehmen würde. Sie hatte die Wünschewagen-Stickerei auf unseren Polo’s gesehen und spontan beschlossen, dass sie uns einladen möchte. So gänzlich unerwartet Anerkennung zu bekommen, hat uns dann doch sehr gefreut! Gegen Mittag haben wir dann unsere Fahrgäste aufgenommen und uns auf den Weg zur Dellacher Alm gemacht. Frau Sauer war sehr aufgeregt und freute sich auf die Aussicht, ihren Lieblingsort noch einmal besuchen zu können.

Als wir bei der Zufahrt zur Alm, eine Serpentinenstraße mit ca. 900 Höhenmeter Unterschied, ankamen, war die Enttäuschung erstmal riesig: Wegen Hangsicherungsarbeiten war die Straße tagsüber gesperrt!

Während wir bei einem nahegelegenen Kiosk nachfragten, ob es noch eine andere Möglichkeit gibt, die Alm zu erreichen, kam (glücklicherweise!) zufällig der Leiter der örtlichen Alpenvereins-Sektion vorbei. Der meinte, dass die Baustelle nur ca. 300m nach der Straßensperre sei und der Rest des Weges frei ist. Claus setzte sich zu ihm in seinen Privat-PKW, die beiden fuhren bis zur Baustelle, erklärten den Arbeitern die Situation und dann war alles kein Problem: Die Arbeit wurde unterbrochen, bis wir mit unserem Wünschewagen vorbeigefahren waren! Jetzt stand dem Wunsch unseres Fahrgastes nichts mehr im Weg…..dachten wir zumindest. Auf der Hochebene gibt es zwei Almdörfer, die Egger Alm und die Dellacher Alm, wo sich auch das Ziel unserer Fahrt, das Almgasthaus Pipp, befindet. Als wir dort ankamen, folgte die nächste Enttäuschung: Geschlossen!

Wir gaben Frau Sauer aber auf der Terrasse ausgiebig Zeit, sich von diesem Ort, an dem sie so viel Schönes erlebt hatte, zu verabschieden. Sie schrieb dabei ein paar nette Anekdoten aus ihren Erinnerungen auf, über die wir herzlich lachten. Aber da war ja noch der Wunsch nach dem Kaiserschmarrn…….. Im vorderen Almdorf, der Egger Alm, waren wir auf dem Hinweg am „Gasthaus zum Rudi“ vorbeigekommen, bei dem Gäste zu sehen waren. Nachdem wir dort auf dem Rückweg sowieso vorbeifahren mussten, fragten wir dort nach der ersehnten Süßspeise. Und auch hier verwandelte sich die Enttäuschung in einen Glücksfall: Es gab nicht nur Kaiserschmarrn, sondern es war zufällig auch ein Musiker mit seiner „Ziach“ (hochdeutsch Akkordeon) vor Ort, der sämtliche Musikwünsche von Frau Sauer erfüllte und exklusiv nur für sie spielte.

Alle anderen anwesenden Gäste haben fleißig mitgesungen, so dass Frau Sauer ein außerordentlich schöner und unvergesslicher Nachmittag beschert wurde. Ihr war auch deutlich anzusehen, wie glücklich sie war. Nach dem Abendessen, direkt am Ufer des Pressegger Sees, fuhren wir mit unseren erschöpften Fahrgästen wieder zurück zur Unterkunft. Am Dienstag stand dann auch schon wieder die Heimreise über München nach Hessen an. Michaela hatte uns aber am Sonntag schon gefragt, ob es vielleicht spontan möglich wäre, bei der Rückfahrt noch einen kurzen Zwischenstopp in München einzulegen. Hintergrund war, dass der Bruder von Frau Sauer in München lebt und die beiden sich seit 18 Jahren nicht mehr gesehen hatten. Und der regelmäßige telefonische Kontakt ist aufgrund der Erkrankung von Frau Sauer (siehe oben) nun auch nicht mehr möglich. Michaela setze sich mit ihrem Onkel in Verbindung, wir sprachen uns mit Ulrike und Pascal, den ASB-Kollegen aus Hessen, ab und letztlich konnten wir es den beiden auch ermöglichen, noch persönlich voneinander Abschied zu nehmen. Das Zusammentreffen der beiden war dann ein sehr bewegender und sehr emotionaler Moment. Während sich die Geschwister bei einer Tasse Kaffee austauschten, übergaben wir das Gepäck an den Wünschewagen Nordhessen, der die Familie dann auch wieder wohlbehalten nach Hause brachte.

Diese Wunschfahrt hat uns wieder zwei Dinge bewusst gemacht:

  • Man wird immer wieder mal positiv überrascht (das nicht geplante Treffen der Geschwister und das gesponserte Frühstück)
  • Bei Rückschlägen (gesperrte Straße und geschlossene Hütte) sollte man immer versuchen, Lösungen zu finden. Dann kommt vielleicht auch noch das notwendige Quentchen Glück dazu (Leiter der Alpenvereinssektion und der „Ziach-Spieler“), das den Ausflug doch noch zu einem vollen Erfolg werden lässt.


Martina und Claus