Einmal noch nach Kiel. Hafenluft schnuppern. Die hat Dieter im Blut. Im hohen Norden ist er geboren, hat dort eine Schlosserlehre gemacht und in dem Beruf gearbeitet. Direkt am Nord-Ostsee-Kanal in Kiel-Holtenau. Mit 23 Jahren zog er weg von dort. Die Liebe hat ihn nach Nordhessen verschlagen. Ohne Reue. Jetzt ist Dieter 82 und lebt im Pflegeheim. Seine Lebensgefährtin Waltraud besucht ihn dort jeden Tag. Dieters Kontakt nach Kiel ist nie abgerissen, erzählt sie uns später, die Sehnsucht nach der alten Heimat an der Förde tief in seinem Herzen verankert. Vor fünf Jahren sind sie das letzte Mal gemeinsam da gewesen, haben alte Freunde besucht. Da lebten Waltraud und Dieter noch zusammen in ihrem Haus. Nun wollen ihn seine Beine kaum noch tragen. Für den wohl letzten Besuch in Kiel fehlt beiden die Kraft.
Vom Wünschewagen-Projekt und seinen Möglichkeiten hat Waltraud zum ersten Mal an einem Infostand vor einem Supermarkt gehört. Und gleich an Dieter und „sein“ Kiel gedacht. Ein Anruf bei Koordinatorin Larissa genügt und der Wagen steht mit dem ASB-Team Janis und Thomas startbereit vor der Tür des Pflegeheimes. Ein kleiner Schnack zum „Warmwerden“ und dann geht es auch schon los.
432 Kilometer liegen vor uns. Unser Ziel erreichen wir zwei Stunden später als geplant. Die „Staufalle“ Hamburg hat reichlich Zeit geschluckt. Aber wir sind endlich da! In Kiel, an der Förde, begrüßt von Meeresbrise und Möwengeschrei. Dieter strahlt mit seiner Waltraud und der Sonne um die Wette. Aber nach der langen Reise und den Stunden auf der Trage ist er ordentlich geschafft. Also zunächst mit dem Rollstuhl ins Hotel, das direkt am Hafen liegt. Erstmal ankommen, durchatmen, Kraft tanken.
Am nächsten Morgen (nach einem sehr leckeren gemeinsamen Abendessen im Hotel) treffen wir uns beim Frühstück wieder. Thomas rollt mit Dieter das Büffet ab und Janis erzählt derweil einem zu Tränen gerührten Koch vom Wünschewagen und den vielen Helfern und Händen, die das Projekt möglich machen.
Dann steigt Dieters Aufregung. Sein alter Freund Detlef ist mit seiner Frau Ingrid in die Hotellobby gekommen. Sie kennen sich schon seit Schultagen, haben sich nie aus den Augen verloren. Große Wiedersehensfreude und Zeit für einen Klönschnack über die alten, gemeinsamen Zeiten und Erlebnisse in Kiel. Schon am Vorabend hatten wir uns gemeinsam überlegt, nach dem Treffen zur Schleuse in Holtenau und weiter zu Dieters Elternhaus zu fahren. Spontan schließen sich Detlef und Ingrid unserer gut eingespielten Wünschewagen-Fahrgemeinschaft an.
An der Schleuse angekommen, eröffnet sich uns ein besonderer Moment: Der Wachmann hat schon mal vom Wünschewagen gehört und lässt uns das Tor und die Absperrung passieren, die sonst nur Mitarbeiter nutzen dürfen. Und so stehen wir mit Dieter plötzlich ganz nah am Ort seiner Träume: direkt an der Schleusenkammer des Nord-Ostsee-Kanals in Kiel-Holtenau! Auf der „Lady Diana“ werden gerade die Leinen losgeworfen. Der Frachter nimmt Kurs Ostsee, unser Fernweh hat er mit an Bord.
Ganz beseelt steuern wir noch Dieters Elternhaus an. Direkt nebenan wohnt noch immer sein alter Freund Detlef. Noch ein „Weißt du noch…?“ und ein herzlicher Abschied – dann nehmen wir nach wundervollen Begegnungen und den vielen Eindrücken wieder Kurs auf Nordhessen. Am Ende können Dieter und Waltraud ihr Glück über diese gemeinsame Wünschewagen-Reise kaum fassen. Ihr „Dankeschön, Jungs!“ klingt ehrlich und kommt aus tiefstem Herzen.