„Auf die Insel Mainau“- das war der letzte und zugleich der Geburtstagswunsch unseres schwerkranken Fahrgastes am Pfingstwochenende. Als Blumenliebhaberin wollte sie noch einmal den Duft der Rosen einatmen und genießen können und den Blick über die Weite des Bodensees schweifen lassen. Und so holten unsere Wunscherfüller Christoph, Alois und Uta im Morgengrauen Frau W. auf der Palliativstation des Klinikum Memmingen ab.
Gemeinsam mit ihrem fast 90-jährigen Lebensgefährten ging es im festlich geschmückten Wünschewagen in Richtung Bodensee. Leider war das Wetter viel schlechter als vorhergesagt und so trommelten die Regentropfen auf das Autodach, als wir an den wunderschönen Schweizer Bergen vorbeifuhren. Da unser Fahrgast trotz aufgedrehter Heizung im Auto und mehreren Decken wahnsinnig fror, mussten wir mit einer echten heißen Schweizer Schoki von innen nachhelfen, um die Lebensgeister zu wecken. Und das half: kaum waren wir auf der Insel eingetroffen (wir durften netterweise direkt auf die Insel fahren), fingen die Augen unseres Fahrgastes an zu leuchten. Zwar regnete es immer noch etwas, aber das schien sie gar nicht wahrzunehmen. Noch auf dem Parkplatz trafen wir ein befreundetes Ehepaar von Frau W., die ebenfalls extra auf die Insel gekommen waren, um ihrer Freundin einen schönen Geburtstag zu bereiten.
Und so zog unser Grüppchen gemeinsam über die Insel. Unser Fahrgast wollte gleich zu Beginn einen Schwung Postkarten kaufen und wurde dann im Rollstuhl überallhin geschoben, um allem ganz nahe sein zu können. „Wie eine Prinzessin fühle ich mich heute“ – das wiederholte sie immer wieder. Oft betonte sie, wie sehr sie es genießen würde und dass sie ihr Glück noch gar nicht fassen könne. Zum Glück hatte der Wettergott etwas Erbarmen mit uns und schickte uns für ein paar Stunden die Sonne zwischen den Wolken hervor und so konnte Frau W. viele, viele Erinnerungsfotos machen. Als wir merkten, dass die Kräfte - zumindest bei dem Lebensgefährten - weniger wurden, suchten wir uns ein gemütliches Restaurant, um uns etwas zu stärken. Das Wichtigste aber für Frau W. war in diesem Moment ein Glas Sekt mit uns zu trinken und auf ihren Geburtstag anzustoßen!
Essen konnte sie leider aufgrund ihrer Erkrankung nur eine Suppe, aber als der Ober uns allen – auf seine eigene Rechnung, da er von dem Projekt des Wünschewagens so angetan war- einen Eisbecher spendierte, war die Appetitlosigkeit und die Schluckbeschwerden von Frau W. vergessen! Sie genoss auch diesen in vollen Zügen. Nach dem Essen fing es bei unserer nächsten Runde über die Insel dann leider wieder wahnsinnig zu schütten an, was der guten Laune unseres Fahrgastes allerdings keinen Abbruch tat. Trotz Regenschirme waren wir alle mittlerweile so nass, dass wir schweren Herzens umkehren mussten. Aber den Tag so beenden? Das fühlte sich nicht richtig an. Uns so entschieden wir uns für den Heimweg via Fähre an der deutschen Seite entlang des Bodensees, um Frau W. noch paar schöne Eindrücke geben zu können. In Höhe Langenargen traute sich nochmal die Sonne hervor und da wir wieder etwas getrocknet waren, legten wir spontan einen Stopp am Hafen ein, suchten uns noch ein Café und konnten dort den Tag mit Blick auf den Bodensee bei Kaffee und Kuchen sowie einem Geburtstagsbier für unseren Fahrgast, das sie sich so sehnlichst gewünscht hatte, ausklingen lassen. Bei den letzten Blicken über den Bodensee in der Abendstimmung, war die gute Laune von Frau W. kurzfristig von ein paar Tränen überlagert, wusste sie doch, dass der Tag jetzt zu Ende ging. Um 20 Uhr trafen wir dann schließlich wieder auf der Palliativstation in Memmingen ein – noch mit einem kleinen Bildband über die Insel Mainau als Geburtstagsgeschenk und zum Nachklingen dieses schönen – wenn auch nassen – Tages. „Das war mein schönster Geburtstag“ – das war ihr Satz, der uns noch allen im Ohr blieb.
Mai 2019